Wie schaffen es nutzenstiftende Gesundheits-Apps schneller in die Regelversorgung? Wie können Hürden beim Marktzugang überwunden werden? Das Projekt „Der digitale Patient“ analysiert in einem größeren Vorhaben den „Transfer von Digital-Health-Anwendungen in den Versorgungsalltag“. In einzelnen Teilberichten widmen wir uns den verschiedenen Hürden und erarbeiten Vorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen. Der aktuelle Teilbericht zu Vertrags- und Vergütungsmodellen von Digital Health in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zeigt in einer eigens entwickelten Systematik, wie die jeweiligen Vertragsvarianten mit eigenen Ansprechpartnern, Verhandlungs-, Prüf- und Genehmigungsprozessen einhergehen. Unsere Empfehlung: Die Einrichtung einer einheitlichen Beratungsstelle für Anbieter und Kostenträger, um aufwendige Such- und Verhandlungsprozesse für Anbieter und Kostenträger zu erleichtern.
Komplexe Suchprozesse vereinfachen
Viel Aufmerksamkeit gab es kürzlich für eine Vereinbarung von Sonormed, der Techniker Krankenkasse und Philips: Das Digital-Health-Start-up, die Krankenkasse und der Konzern haben als erste einen Versorgungsvertrag nach Paragraph 132f des neuen GKV-Präventionsgesetzes geschlossen. Ein digitaler Test für die Hörfähigkeit wird damit in Zusammenarbeit mit Betriebsärzten in das reguläre Vorsorgeangebot aufgenommen. So kommt eine Digital-Health-Anwendung im Versorgungsalltag an. Hier – und an wenigen anderen Stellen – betreten Pioniere „selektivvertragliches Neuland“.
Allerdings ist das noch nicht die Regel. Das liegt daran, dass Digital-Health-Anwendungen anders sind als herkömmliche Innovationen und darum auf dem Weg in den 1. Gesundheitsmarkt verschiedene Hürden überwunden werden müssen. Der komplexe und aufwendige Suchprozess von geeigneten Vergütungs- und damit auch Vertragsformen für die Erstattung digitaler Lösungen durch Krankenkassen ist eine davon. Grob: Für viele Anbieter, oft branchenfremde Start-ups, ist die Logik von Selektivverträgen – zumindest anfangs – ein „Buch mit sieben Siegeln“. Bei den Kostenträgern herrscht Unsicherheit, wie sich die neuartigen digitalen Innovationen in bestehende Vertragssystematiken einpassen lassen.
Um diese Unsicherheiten zu reduzieren und Orientierung zu schaffen, haben Karsten Knöppler und sein Team im Auftrag der Bertelsmann Stiftung eine spezielle Systematik entwickelt – eine Systematik, die helfen soll, Digital-Health-Anwendungen den relevanten Vertrags- und Vergütungsformen einfacher zuzuordnen. Dafür wurden zwölf verschiedene Vertragsformen in fünf Schwerpunkte unterteilt. Diesen Schwerpunkten wurden jeweils die verschiedenen Typen von Digital-Health-Anwendungen (PDF) zugeordnet.
Im Bericht werden die jeweiligen Vertrags- und Vergütungsformen einer Bewertung unterzogen: Unter anderem anhand den Rechtsgrundlagen, den Anforderungen und der Dauer der Vertragsverhandlungen sowie den beteiligten Stellen. Anbieter können nachlesen, welche potenziellen Chancen und Risiken für sie mit den Varianten verbunden sind.
Eine einheitliche Beratungsstelle schaffen
Was muss dafür passieren, damit die Suche nach einem geeigneten Vertrag künftig schneller von Statten geht – dass nutzenstiftende Anwendungen künftig schneller ihren Weg in die Erstattung finden?
Erstens sollten sich die Anbieter von Digital-Health-Anwendungen schon in einem frühen Entwicklungsstadium mit den Vergütungsmöglichkeiten in der GKV auseinandersetzen. Sie sollten analysieren, welche Vertragsformen für sie sinnvoll erscheinen und dementsprechend auf die Kostenträger zugehen. Zweitens sollten Kostenträger überlegen, wie sie ihre Ressourcen bei der Auswahl von Anbietern effizienter einsetzen können. Dies kann zum Beispiel durch „Einkaufsgemeinschaften“ verschiedener Krankenkassen, aber auch durch den Einsatz von Dienstleistern geschehen, die mit den Anbietern in Verhandlungen treten. Drittens könnte eine einheitliche Beratungsstelle für Anbieter und Kostenträger für mehr Orientierung sorgen. Vorbild – oder sogar die zuständige Stelle – könnte das Innovationsbüro des BfArM sein.
Und: Nicht zuletzt hoffen wir, dass unser Bericht und die darin entwickelte Systematik schon ein erster Schritt zu mehr Orientierung für Anbieter und Kostenträger ist.
Wir danken Peter Salathe von der BKK-VBU, Nils von Dellingshausen und der DAK für ihre konstruktive Kommentierung der Analyse.
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