Die effektive Einbindung der Jugend in den Bereich der digitalen Gesundheit ist essenziell, denn gesellschaftliche Veränderungen benötigen Zeit, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Damit sie erfolgreich sind, müssen sie über Jahre aktiv gefördert werden. Der jungen Generation kommt dabei eine große Bedeutung zu. Sie ist nicht nur die Zukunft, wie es oft heißt. Sie ist auch die Gegenwart. Somit können junge Menschen maßgeblich dazu beitragen, die Etablierung einer nationalen Gesundheitsplattform, wie etwa Trusted Health Ecosystems (THE), gesellschaftlich erfolgreich werden zu lassen. Nur wenn ihre Perspektiven, Bedürfnisse und Prioritäten von Anfang an berücksichtigt werden, kann es eine Lösung geben, die wirklich funktioniert – und auf breite Akzeptanz stößt.

Obwohl die Digitalisierung Gesundheitsinformationen leichter zugänglich macht als je zuvor, hat ein Großteil der deutschen Bevölkerung Schwierigkeiten, mit ihnen umzugehen. Die geringste Gesundheitskompetenz zeigen Menschen mit niedrigem Bildungsniveau oder Sozialstatus, Personen ab 65 Jahren und junge Menschen zwischen 18 und 29 Jahren (Hurrelmann et al. 2020). Trotz der Informationsfülle zu Gesundheitsthemen auf digitalen Plattformen, durch die sie sonst so mühelos navigieren, scheinen die Digital Natives abgehängt (Prensky 2001; Dingli und Seychell 2015). Sie nutzen Online-Dienste, wie Social Media, sehr aktiv, agieren im Bereich der digitalen Gesundheit jedoch oft passiv und stolpern eher zufällig über Informationen und Services. Dies können und sollten wir ändern, um sicherzustellen, dass digitale Gesundheitslösungen heute und in Zukunft jungen Menschen genau dort helfen, wo diese sie auch wirklich brauchen.

Definition sinnvoller Jugendbeteiligung

Es ist notwendig, die junge Generation in all ihrer Diversität und Vielfalt zu beteiligen. Die verschiedenen Hintergründe und Erfahrungen junger Menschen sind ein Zugewinn an Perspektiven, die Verhandlungsprozesse formen und gestalten können. Die Entscheidungen sollten anschließend gemeinsam in Handlungspläne überführt werden – und auf Gespräche müssen Taten folgen. Dann kann man von „Meaningful Youth Engagement“ sprechen, also einer sinnvollen und nachhaltigen Jugendbeteiligung.

Junge Menschen sollten nicht nur zu Diskussionsrunden eingeladen werden und einen Platz am Tisch bekommen, sondern auch aktiv eingreifen können. Sie lediglich teilnehmen zu lassen reicht nicht aus: Sie müssen von Entscheidungstragenden gehört und verstanden werden! Eine gemeinsame Basis finden, auf einer Wellenlänge kommunizieren und einander zuhören – das sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

Relevanz und Hindernisse einer sinnvollen Jugendbeteiligung

Die Jugendbeteiligung wird aktuell durch einige Barrieren erschwert. Viele junge Menschen wollen sich gern engagieren, wissen aber nicht wo oder wie. Eine Mehrheit der 16- bis 30-Jährigen in Deutschland zeigt Interesse an gesellschaftlichen und politischen Themen – Gesundheitsthemen folgen an zweiter Stelle. Nur knapp ein Fünftel ist allerdings überzeugt, dass persönlicher Einsatz einen Unterschied macht. Mitwirkungsmöglichkeiten außerhalb von Wahlen werden als unzureichend angesehen und von Entscheidungstragenden fühlen sich junge Menschen oft nicht ernst genommen (Bertelsmann Stiftung 2024). Häufig stehen ihrem aktiven und nachhaltigen Engagement auch finanzielle Barrieren sowie ein Ressourcenmangel entgegen. Sie zu Diskussionsrunden einzuladen, reicht nicht aus, wenn sie für die Teilnahme an diesen Veranstaltungen keine finanzielle Unterstützung erhalten.

Wir brauchen neue Beteiligungsformate für die junge Generation. Die international gültigen Forderungen der ersten Youth Declaration on Creating Healthy Societies des Jugendbeirats der Weltgesundheitsorganisation (WHO Youth Council 2024) sollten auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Wir rufen die Regierung sowie nicht staatliche Akteure und die Zivilgesellschaft auf, junge Menschen verschiedenster Hintergründe institutionalisiert stärker in Entscheidungsprozesse einzubinden. Die Gesellschaft wird in die Verantwortung genommen, Jugendorganisationen in ihrer Arbeit finanziell und ideell zu unterstützen und ihre Reformvorschläge anzuerkennen.

Kooperatives Entwickeln im THE-Konzept

Die Forderungen der Jugenddeklaration umzusetzen, indem die Jugend sinnvoll beteiligt wird, ist für die erfolgreiche Konzeption einer nationalen Gesundheitsplattform essenziell. Die Bertelsmann Stiftung kann mit ihrer Vision von Trusted Health Ecosystems (THE) ein Zeichen setzen, das die weitere Entwicklung einer solchen digitalen Plattform beeinflussen wird. Laut Prämisse 6 des Konzepts, „Kooperativ entwickeln“, sollten Nutzerbedürfnisse bei der Konzeption nationaler Gesundheitsplattformen im Mittelpunkt stehen. Das bedeutet, dass die Fähigkeiten und Wünsche der unterschiedlichen Zielgruppen, insbesondere der jungen Menschen, in den Gestaltungsprozess einfließen. Strukturierte Mitwirkungsmöglichkeiten können Interviews, Befragungen und Fokusgruppen ebenso umfassen wie regelmäßige Nutzer-Testungen und Erprobungen im realen Lebensumfeld. Damit lassen sich genau die Bedürfnisse erkennen, die bei der Plattformentwicklung berücksichtigt werden müssen.

Beteiligungsmöglichkeiten bei der Plattformentwicklung

Meiner Meinung nach müssen Optionen zur Mitgestaltung nicht nur geschaffen, sondern auch gut kommuniziert werden. Dafür ist es ratsam, die sozialen Medien zu nutzen sowie die Informationen auf Schul-, Berufsschul- und Hochschulebene zu verbreiten. Sehr effektiv ist auch eine Zusammenarbeit mit repräsentativen Jugendorganisationen, wie etwa der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e. V. (bvmd), dem Jugend-Panel zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (youpaN) und dem Bildungswerk für Schülervertretung und Schülerbeteiligung e. V. (SV-Bildungswerk). Bestehende Strukturen zu nutzen, erleichtert die Kontaktaufnahme zu jungen Menschen mit diversen Hintergründen und die langfristige Kooperation. In Form eines Jugendbeirats – nach Vorbild der Weltgesundheitsorganisation – könnten bereits etablierte Netzwerke genutzt und vielfältige Erfahrungen schnellstmöglich zusammengetragen werden.

Die Zusammensetzung eines solchen Jugendbeirats sollte anhand festgelegter Kriterien erfolgen. Es empfiehlt sich, eine Vielzahl von Jugendorganisationen mit gesundheitsspezifischen, aber auch anderen Themenschwerpunkten einzubeziehen. Sie können dann Umfragen zur Wahrnehmung der Plattform unter ihren Mitgliedern verbreiten. Zudem sollten sie Personen für Interviews sowie Fokusgruppen benennen, damit sich tiefergehende Einblicke erlangen lassen. Die Teilnehmenden müssen organisationsübergreifend und zielgerichtet ausgewählt werden, um verschiedene Bildungshintergründe, soziale Schichten, Herkunftsorte, kulturelle sowie religiöse Gruppierungen abzudecken.

Nutzen der Plattform für die junge Generation

Junge Menschen und nachfolgende Generationen werden von nationalen Gesundheitsplattformen vor allem dann profitieren, wenn ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Um diese zu erfragen, hat das Digital Transformations for Health Lab Jugendkonsultationen auf internationaler Ebene durchgeführt. Die am häufigsten genannten Interessensbereiche sind präventive Aspekte, wie psychische Gesundheit, klimabedingte Gesundheitsfragen, Fitness und Ernährung, sexuelle und reproduktive Gesundheit sowie nicht übertragbare Krankheiten. Junge Menschen wollen, dass digitalisierte Gesundheitssysteme einen menschenrechtsbasierten Ansatz verfolgen und gerecht, vertrauenswürdig, humanistisch, ethisch sowie inklusiv sind (Digital Transformations for Health Lab 2024).

Um gut informierte Entscheidungen treffen zu können, ist ein Überblick zu der Vielzahl digitaler Gesundheitsinformationen und -angebote an einem digitalen Ort (One-Stop-Shop) notwendig. Dabei hilft eine strukturierte Vorstellung der qualitätsgesicherten Informationen und Services wie Online-Apotheken und Fernkonsultationen, aber auch der digitalen Gesundheitsanwendungen, beispielsweise Apps zur Prävention psychischer Erkrankungen oder zu gesunden Verhaltensweisen in Ernährung und Sport. Die Vertrauenswürdigkeit der dargestellten Informationen und Dienste ist dabei essenziell.

Alle Daten zur eigenen Gesundheit und zu ihrer Erhaltung an einem Ort zu überblicken, leitet eine neue Ära des informierten Wohlbefindens ein. Durch soziale Netzwerk- und Chat-Funktionen sowie Gamification wird Gesundheit ein Ziel, das auch spielerisch zu erreichen ist. Die Integration von KI-Systemen und Wearables wie Smartwatches macht Gesundheit interaktiv im Alltag erlebbar, unterstützt durch ein benutzerfreundliches und personalisierbares Design.

Ausblick und Empfehlungen

Ntionale Gesundheitsplattformen nach dem Konzept Trusted Health Ecosystems haben das Potenzial, unsere Gesundheitssysteme und die digitale Gesundheitskompetenz grundlegend zu verbessern. Um diese Veränderung langfristig umzusetzen, muss sichergestellt werden, dass die junge Generation sinnvoll und nachhaltig an der Entwicklung beteiligt wird. Durch ihre Einbindung werden die Digital Natives ermächtigt, selbst für ihre Gesundheit aktiv zu sein. So gewährleisten wir, dass digitale Gesundheitslösungen heute und in Zukunft dort unterstützen, wo ihr Einsatz am dringendsten benötigt wird.

Quellen

  • Bertelsmann Stiftung (2024). Junges Engagement für sozialen Wandel. Ergebnisse einer Befragung junger Menschen zu politischen Einstellungen und politischem Engagement. Gütersloh.
  • Digital Transformations for Health Lab (2024). Building a blueprint for digital first health systems: Findings from global youth consultations. Interim report. Geneva.
  • Dingli A, Seychell D (2015). Who Are the Digital Natives?. The New Digital Natives. Berlin, Heidelberg.
  • Hurrelmann K, Klinger J, Schaeffer D (2020). Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland: Vergleich der Erhebungen 2014 und 2020. Bielefeld.
  • Prensky M (2001). Digital natives, digital immigrants Part 1. On the Horizon 9 (5).
  • WHO Youth Council (2024). Youth Declaration on Creating Healthy Societies. Berlin.