Der digitale Patient“ will sich in einer Debattenreihe den Möglichkeiten und Grenzen von Big Data im Gesundheitswesen konstruktiv nähern. Unser Blog fungiert dabei als Plattform, wir lassen hier Experten aus den verschieden Bereichen zu Wort kommen. Während Dr. Silja Samerski im vorigen Beitrag die Möglichkeiten und Grenzen von Big Data für medizinische Entscheidungen diskutiert hat, bloggt Prof. Dr. Martin Dugas über die bessere Nutzung von Daten, Transparenz bei medizinischen Formularen und effektive Forschung, um dem Versprechen von Smart Medicine gerecht zu werden.


Endlich ist die zunehmende Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens auch in den Köpfen der Gesellschaft und der Politik angekommen.

Längst überfällig sind Debatten, wie man die sprichwörtliche Datenexplosion für wissenschaftliche Zwecke zum Wohle des Patienten am besten nutzen kann. Big Data ist in aller Munde, von Zusammenführung und Auswertung riesiger Mengen an Patientendaten ist die Rede. Der Traum einer vollendeten personalisierten Medizin, in der die passende Therapie für jeden einzelnen Patienten angewendet wird, rückt augenscheinlich immer näher.

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Tatsächlich konnten wir in den vergangenen Jahren immense Fortschritte vor allem in der Krebsforschung erzielen, indem wir große Kollektive von Patientendaten analysiert und typische Krankheitsmuster und -verläufe verifiziert haben. Die Ableitung erfolgreicher, individueller Therapien für schwerstkranke Menschen zählt zu den größten Erfolgen der Bioinformatik. Diese Erfolge, die angesichts der astronomisch hohen Zahl an auszuwertenden genomischen Daten nur durch Einsatz intelligenter Informatikmethoden möglich sind, täuschen jedoch nicht darüber hinweg, dass weiterhin viele Daten ungenutzt bleiben. Hier verschenken wir ein enormes Potenzial. Woran liegt das?

Mangelnde Transparenz führt zu Insellösungen

Täglich werden riesige Mengen an Patientendaten in sogenannten Dokumentationsformularen erfasst – sei es in der elektronischen Patientenakte oder im Rahmen von klinischen Studien. Hierfür werden unterschiedliche Informationssysteme und Software-Tools verwendet, die nicht kompatibel sind. Die verschiedenen Software-Hersteller stellen individuelle Dokumentationsformulare im Rahmen ihrer Standardverträge zur Verfügung, die in der Regel eine Insellösung darstellen. Eine Veröffentlichung der Formularbeschreibungen erfolgt nicht. Dies hat zur Folge, dass derzeit weniger als fünf Prozent aller medizinischen Formulare öffentlich zugänglich sind. Durch diesen Mangel an Transparenz werden Prozesse zur Abstimmung von Datenmodellen im Gesundheitswesen erheblich behindert. Know-how aus bereits abgeschlossenen oder laufenden Studien und klinischen Dokumentationen kann nicht wiederverwendet werden. Wir erfinden das Rad immer wieder aufs Neue.

Die Scientific Community fordert deshalb seit etlichen Jahren eine Offenlegung von medizinischen Formularen [1, 2] – von leeren wohlgemerkt! Es soll keine Veröffentlichung von Patientendaten erfolgen. Somit steht diese Forderung in keinerlei Konflikt zu Datenschutzvorgaben. Im Gegenteil: Durch öffentlich zugängliche medizinische Formulare würde dem Gebot der Transparenz, das in unserem Datenschutz-Gesetz verankert ist, endlich Rechnung getragen.

Durchbruch durch offene Plattformen für medizinische Datenmodelle

Das Internet und die daraus resultierende weltweite Vernetzung haben in den letzten zehn Jahren den internationalen Austausch von Daten in der Medizinforschung gefördert. Der große Durchbruch kann letztlich jedoch nur durch Etablierung von Standards gelingen. Hierfür müssen frei zugängliche Plattformen wie das Portal für Medizinische Datenmodelle geschaffen werden. Mit über 9.000 medizinischen Formularen handelt es sich um das weltweit größte Open-Access-Portal seiner Art. Mittels Kodierung können die einzelnen Formularinhalte (Datenmodelle) eindeutig zugeordnet werden und sind somit sprach- und systemunabhängig. Aufgrund seiner hohen Relevanz ist das Portal als deutsche [3] und europäische [4] Forschungsinfrastruktur anerkannt. Der Erfolg einer solchen Infrastruktur hängt jedoch entscheidend von einem wachsenden Nutzerkreis ab. Auch hier benötigen wir Big Data, um zu klugen Vorgehensweisen und Entscheidungen nach dem Best-Practice-Prinzip zu gelangen. Smart Medicine ist mehr als eine Vision, und der Patient wird es uns danken.


Der nächste Beitrag der Debattenreihe „Big Data“ wird Mitte Januar veröffentlicht. Wir wünschen frohe Festtage.

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