„Der digitale Patient“ hat sich in den vergangenen Monaten in einer Debattenreihe den Möglichkeiten und Grenzen von Big Data im Gesundheitswesen gewidmet. Unser Blog fungierte dabei als Plattform, wir ließen hier Experten aus verschiedenen Bereichen zu Wort kommen. In diesem Beitrag analysieren wir die 13 Beiträge der Debattenreihe und fassen die Ergebnisse zusammen.
In unserer Debattenreihe haben Experten aus Wissenschaft, Gesundheitswesen, Wirtschaft und Medien verschiedene Facetten von Big Data im Gesundheitswesen betrachtet. Wir haben die Beiträge systematisch ausgewertet und betrachten nun, welche Potenziale und Herausforderungen die Experten in Big Data sehen, welche Lösungsansätze sie vorschlagen und wo sie die Zukunft von Big Data im Gesundheitswesen verorten.
Big Data birgt Potenzial für individualisierte Behandlung und optimierte Forschung
Großes Potenzial bietet Big Data für die Personalisierung von Diagnosen, Behandlungen und Medikation. Diese Einschätzung teilt ein Großteil der Experten in ihren Beiträgen. Auch die Schnelligkeit von Diagnosen und Datenauswertungen, die mit Algorithmen und künstlicher Intelligenz möglich ist, beschreiben viele der Autoren als Vorteil von Big Data.
Ein weiteres Potenzial, das in den Beiträgen erkannt wird: Die Auswertung großer Datenmengen führt dazu, dass Diagnosen auch besser fundiert werden können. Die Autoren sehen Big Data als Chance, zu genaueren Forschungsergebnissen als Grundlage für medizinische Evidenz zu gelangen. Gerade diese neu generierte Evidenz birgt das größte Verbesserungspotenzial für die Versorgung.
Die Herausforderung: Systematischer Umgang mit Big Data fehlt
Neben diesen großen Vorteilen weisen die Experten aber auch auf ganz wesentliche Herausforderungen hin. Grundlegende Probleme bei Zugang und Verarbeitung von Daten sind die größte Hürde für den Einsatz von Big Data. Da sind sich die Verfasser der Beiträge unserer Debattenreihe einig. Viele Daten sind demnach nicht nutzbar, weil sie unstrukturiert vorliegen, nicht gut erschließbar oder schlicht nicht zugänglich sind. Zudem fehlen Standards bei der Datensammlung und -nutzung. Auch in der Struktur des Gesundheitssystems selbst scheinen Probleme zu liegen: Manche betonen die defizitäre Vernetzung; in der Folge entstehen inkompatible Insellösungen – etwa unterschiedliche Software-Tools mit jeweils eigenen Dokumentationsformularen.
Und künstliche Intelligenz (KI) wird – zumindest von den Autoren, die auf dieses Thema fokussieren – kritisch betrachtet. Sie hat zwar das Potenzial, Ärzte beim Diagnostizieren und Auswählen von adäquaten Behandlungen zu unterstützen. Problematisch finden die Autoren der betreffenden Beiträge es jedoch, dass KI-Prozesse, die Entscheidungen beeinflussen, für den Einzelnen oftmals nur schwer nachvollziehbar und überprüfbar sind.
Während sich bei der Anwendung von KI-Prozessen ethische Fragen stellen, sehen die Experten die Herausforderungen bei Digital-Health-Anwendungen wie Gesundheits-Apps hingegen eher bei Qualitätsaspekten. Sie bemängeln, dass manche Tests unzuverlässig sind, die Anonymität nicht ausreichend wahren und dem Nutzer zu wenig Kontrolle über seine persönlichen Daten ermöglichen.
Mehr Systematik und Verantwortung, um Potenziale von Big Data zu nutzen
Je nach Fokus des Beitrags legen die Autoren den Schwerpunkt auf unterschiedliche konkrete Forderungen und Lösungsansätze. Sie alle schlagen jedoch vor, dass Akteure in Politik, Wirtschaft, Forschung und Versorgung systematischer und zielgerichteter sowie konstruktiv und verantwortungsbewusst an die „Aufgabe Big Data“ herangehen sollten.
Die Autoren, die auf das Gesundheitssystem als Ganzes blicken, plädieren dafür, den Fokus der Forschung auf konkrete Versorgungsziele und den Nutzen für die Patienten zu richten. Damit die Ergebnisse dieser Forschung tatsächlich nutzbar werden, bedarf es aber auch einer einheitlichen Infrastruktur, auf die sich Politik, Wirtschaft und Forschung verständigen müssen.
In Hinblick auf den Zugang zu Daten und deren Verarbeitung zeigt unsere Auswertung außerdem, dass der Weg zu einem konstruktiven Umgang mit Big Data in einer gezielten Veröffentlichung von Struktur-, Leistungs-, und Routinedaten, höherer Transparenz und mehr Datenqualität gesehen wird.
Die Autoren, die sich mit künstlicher Intelligenz auseinandersetzen, sind der Ansicht, diese sollte in Zukunft vermehrt eingesetzt werden, um Daten nutzbar zu machen. Künstliche Intelligenz sollte jedoch nur als Helfer begriffen werden, die letztendliche Entscheidung sollte immer in der Verantwortung der Ärzte und des Pflegepersonals liegen.
Auch der Datenschutz ist ein zentrales Thema: Um die Datensicherheit für die Bürger zu erhöhen, werden in den Beiträgen Verschlüsslungs- und Anonymisierungswerkzeuge sowie Treuhändermodelle vorgeschlagen. Patienten sollen sensibilisiert sowie verständlich und adäquat darüber aufgeklärt werden, wer welche Daten zu welchem Zweck sammelt, sodass die Patientenautonomie gestärkt wird. Gerade im Hinblick auf Datensouveränität und den Umgang mit künstlicher Intelligenz sehen die Autoren Handlungsbedarfe für die Zukunft.
Ein Blick in die Zukunft der Datennutzung und künstlicher Intelligenz
Autoren, die in ihren Beiträgen Prognosen abgeben, sehen für die nicht allzu entfernte Zukunft das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) als wichtigen Katalysator von Big Data. Außerdem identifizieren sie künstliche Intelligenz und ihren Einfluss auf die Versorgung und die Rolle des Arztes als ein wichtiges Zukunftsthema.
Zum Umgang mit künstlicher Intelligenz bleiben für die Experten noch Fragen offen. Sie wird in Zukunft immer mehr als Assistent von Ärzten und Pflegepersonal fungieren und aufgrund von Datenauswertungen Grundlagen für Entscheidungen liefern. Deshalb fragen sich die Autoren, inwiefern sich solch vielschichtige Entscheidungen wie die von Ärzten automatisieren lassen. Außerdem beschäftigt sie die Frage, ob Ärzte künftig unter Druck geraten, wenn sie sich nicht nach dem Computer richten.
Eine Übersicht mit allen 13 Beiträgen der Debattenreihe „Big Data im Gesundheitswesen“ finden Sie hier. Basierend auf den Ergebnissen dieser Reihe werden wir uns im Projekt „Der digitale Patient“ auch weiterhin mit dem Thema Big Data befassen.
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